In den Anfängen des Sporttauchens galt der Schnorchel als unverzichtbarer Ausrüstungsgegenstand, um vor und nach dem Tauchen an der Wasseroberfläche zu atmen. Heutzutage entscheiden sich jedoch viele Taucher gegen die Verwendung eines Schnorchels. Dies kann verschiedene Gründe haben, wie die Annahme, dass die Nutzung des Schnorchels den Atemwiderstand erhöht, mögliche Befürchtungen einer Hyperkapnie (CO2-Intoxikation) oder einfach, weil er im Weg ist. Ist diese Haltung gerechtfertigt?
Keine "Schnorchelstudien"
Während zahlreiche Studien existieren, die das Atmen durch Röhren untersucht haben, fehlten bis vor Kurzem spezifische Untersuchungen zum Schnorchel. Dieses Defizit wurde von Schellart in zwei Arbeiten angegangen.
Die Umfrage
Zunächst wurden Tauchmediziner und Taucher nach ihrer Einstellung zum Schnorchel befragt. Sie gaben unisono an, dass ihrer Meinung nach der Schnorchel den Atemwiderstand deutlich erhöhe, was dazu führt, dass etwa jeder vierte Befragte auf den Schnorchel verzichtet. Persönlich habe ich den Eindruck, dass dieser Prozentsatz noch viel höher ist und die wenigsten Taucher einen Schnorchel bei sich haben (geschweige denn benutzen).
Messung der maximalen willkürlichen Ventilation
Anschließend wurde bei 19 Probanden die maximale willkürliche Ventilation über einen Zeitraum von 12 Sekunden sowohl mit als auch ohne Schnorchel gemessen. Das bedeutet, dass die Teilnehmer so schnell und kräftig durch den Schnorchel atmeten, wie es ihnen möglich war. Diese Messungen erfolgten an einem handelsüblichen J-förmigen Schnorchel mit einem Durchmesser von 20,5 mm, der keine zusätzlichen Features wie Ventile aufwies, und wurden an Land durchgeführt. Das maximale Atemminutenvolumen betrug mit Schnorchel durchschnittlich 6% weniger als ohne Schnorchel. Der berechnete Atemwiderstand stieg durch den Schnorchel um durchschnittlich 6,5%, während die Atemarbeit in beiden Gruppen gleichblieb.
Praktische Bedeutung
Was hat dies nun für Auswirkungen auf das Tauchen? Ein Schnorchel mit ausreichend großem Durchmesser schränkt die Atmung nicht ein. Zwar steigt der Atemwiderstand an, jedoch scheint dies in der Praxis keine relevante Bedeutung zu haben. Auch die häufig geäußerte Sorge vor Hyperkapnie wird hier erneut entkräftet. Der getestete Schnorchel erhöhte den Totraum, also den Anteil des Atemsystems, der nicht am Gasaustausch teilnimmt (physiologisch z.B. Luftröhre, Bronchien), um 136 ml. Dieses Volumen kann von gesunden Personen problemlos überwunden werden und wird bei leichter bis mäßiger Anstrengung, wie beispielsweise beim Schwimmen, weitgehend wegventiliert, sodass es praktisch vernachlässigbar ist. Es besteht also keine Gefahr einer CO2-Intoxikation.
Günstiger Effekt auf die Schwimmleistung
Dass die Verwendung eines Schnorchels im Gegensatz zur gängigen Meinung einen positiven Einfluss auf die Schwimmleistung hat, wurde vom gleichen Autor in einer weiteren Studie nachgewiesen. In dieser absolvierten 12 Probanden einen 12-minütigen Crawl-Schwimmtest mit und ohne Schnorchel. Die mittlere Schwimmgeschwindigkeit war mit Schnorchel um 4,4% höher (im Bereich von +0,5% bis +8,3%) im Vergleich zu ohne. Hieraus konnte berechnet werden, dass ohne Schnorchel 7,5% der Arbeit für das Atmen aufgebracht werden mussten, während dies mit dem Schnorchel nur 2,7% waren. Somit stand etwa 5% mehr Leistung für den Schwimmvortrieb zur Verfügung.
Ob die Zahlen genau stimmen, sei dahingestellt. Doch offensichtlich spielt der zusätzliche Aufwand, den das Anheben des Kopfes für das Luftholen ohne Schnorchel mit sich bringt, eine bedeutende Rolle. Die entspanntere Schwimmsituation mit Schnorchel wird auch durch die Tatsache unterstrichen, dass die Herzfrequenz beim Schwimmen mit Schnorchel trotz höherer Geschwindigkeit nicht höher war als ohne Schnorchel.
Schwimmen mit Tauchausrüstung: Sehr ungünstig
Der Autor betont, dass der positive Effekt des Schnorchels beim Schwimmen mit Tauchausrüstung noch verstärkt werden könnte. Das Aufblasen der Tarierweste erleichtert zwar das Atmen an der Wasseroberfläche, da der Kopf nicht gehoben werden muss, erhöht jedoch die Querschnittsfläche des Tauchers um etwa 15%, was die Schwimmarbeit beeinträchtigt. Beim Rückenschwimmen mit aufgeblasener Tarierweste wird der Querschnitt sogar noch größer, was zu einem noch höheren Schwimmwiderstand führt. Diese Effekte wirken sich bei Wind und Wellen noch nachteiliger aus. Die Verwendung eines Schnorchels bietet hier einen klaren Vorteil, da die Wasserlage flacher und entspannter ist, wenn man durch ihn atmet.
Schnorchel obligatorisch?
Deshalb empfiehlt Schellart die regelmäßige Verwendung eines Schnorchels und fordert sogar, ihn als obligatorischen Ausrüstungsgegenstand beim Tauchen mitzuführen. Dies gilt jedoch nur für Schnorchel mit einem Durchmesser von etwa 2 cm, da bei Abweichungen davon der Atemwiderstand (bei kleinerem Durchmesser) oder der Totraum (bei grösserem Durchmesser) zu groß werden könnten. Zusätzlich sollte auf überflüssigen Schnickschnack wie Ausatemventile oder "Wellenabweiser" verzichtet werden
Fazit für die Praxis
Schnorchel sind nützlicher als gedacht. Sie können sich günstig auf die Atemarbeit, den Atemwiderstand und das Schwimmen an der Wasseroberfläche auswirken. Es ist allerdings darauf zu achten, dass einfache Modelle ohne überflüssiges Drumherum mit einem Durchmesser von ca. 2 cm verwendet werden. Gerade bei Tauchgängen im Meer, wo mit Dünung zu rechnen ist und gegebenenfalls weitere Distanzen bis zu einem Tauchboot zurückgelegt werden müssen, könnte es sich lohnen, einen Schnorchel mitzuführen (und zu verwenden!)
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